"Fehler sind das Tor zu neuen Entdeckungen." - James Joyce - Wir sind es gewohnt, zu planen. Wir planen den Einkauf, indem wir eine Liste mit den benötigten Dingen schreiben, wir planen die Vorsorge, indem wir eine Versicherung abschliessen, wir planen die Karriere, indem wir Aus- und Weiterbildungen besuchen und so weiter. Wir (ver)planen unser ganzes Leben. Und während wir Pläne schmieden, wirft uns das Universum seine eigenen Pläne vor die Füsse. Dies sind dann oft diejenigen Momente, in denen wir straucheln, hadern und manchmal sogar nicht mehr weiterwissen. Diese Situationen empfinden wir als belastend, als falsch. Doch sind es wirklich Fehler, die da in unser Leben platzen? Und ist im Umkehrschluss das, was wir selbst geplant hatten, wirklich das Richtige?
Wer sich hinsetzt, um ein Bild zu malen oder eine Zeichnung anzufertigen, tut dies meist mit einer festen Absicht: «Ich zeichne einen Baum!» oder «Ich male eine Landschaft!» Und vor dem inneren Auge breitet sich das Bild aus, es erscheinen die Farben, die Schattierungen, die Formen, Figuren und Konturen und bevor wir auch nur den ersten Pinsel- oder Zeichenstrich gesetzt haben, ist das Kunstwerk in unserem Kopf bereits vollendet. Wir haben einen Plan erstellt. Und an diesem Plan, an dieser vorgefertigten Vorstellung in unserem Kopf messen wir das entstehende und das entstandene Bild. Schon während des Zeichnens korrigieren wir das effektive Bild und versuchen, das imaginäre Bild zu realisieren. Und am Ende stellen wir fest: das Werk ist nicht so herausgekommen, wie es geplant war. Meistens bewerten wir das Ergebnis negativ. Aber wie wäre es, wenn wir ganz ohne Vorstellung, ganz ohne Plan zeichnen und malen würden, wenn es vielmehr um den Prozess, statt um das Ergebnis ginge und wir vielmehr mit dem Ergebnis für den Prozess belohnt würden? In der Kunst und insbesondere in der Zentangle-Methode gibt es keine Fehler. Ja, ganz richtig: keine Fehler. Die Zentangle‑Methode ist so ausgelegt, dass aus jedem unerwarteten Ereignis (oder umgangssprachlich: Fehler) Inspiration spriessen kann. Zentangle-Kunst ist nicht gegenständlich, so können Sie sich kein vorgefertigtes Bild von dem machen, was Sie zeichnen werden. Zudem ist Zentangle-Kunst kaum planbar, sie entsteht während des Zeichnens, das Kunstwerk entwickelt sich nach und nach, Strich für Strich.
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"If you hear a voice within you say "You cannot paint", then by all means paint, and that voice will be silenced." - Vincent van Gogh - Wenn zeichnen so einfach wäre – oder ist es das?
Mit der Aussage «ich kann nicht zeichnen» brandmarken wir uns selbst. In der Regel sind es nämlich nicht andere, die über unserer Kunst zu Rate sitzen und beschliessen: das ist nicht schön. Es sind für gewöhnlich vielmehr die eigenen Vorstellungen und Ansprüche, welche dieses vermeintliche Unvermögen in uns zementieren. Und zwar so lange, bis wir wirklich nicht mehr zeichnen können; oder besser gesagt: bis wir einfach gar nicht mehr zeichnen. Jeder Mensch ist kreativ, und jeder Mensch kann zeichnen. Oder haben Sie schon je davon gehört, dass eine Mutter ihrem Kind sagte: diese Zeichnung ist aber hässlich! Oder ein Vater: dieses Bild kann man nicht aufhängen! Das Zeichnen wird uns in die Wiege gelegt, der künstlerische Ausdruck wohnt in allen. Im Kindergarten zeichnen wir unbeschwert drauf los, malen mit sich beissenden Farben und kreieren Formen und Wesen, die es in der realen Welt nicht gibt (oder sehen wir diese als Erwachsene einfach nicht mehr?). Als Kinder scherten wir uns einen Dreck darum, ob eine Linie nicht ganz gerade, nicht parallel genug oder eine Fläche nicht gleichmässig und einheitlich ausgefüllt war. Wir liessen unserer Kreativität freien Lauf und genossen es. Ähnlich wie im Spiel konnten wir Eindrücke und Erlebnisse, Fantasien und Ängste durch die Kunst verarbeiten und neue Fertigkeiten dazugewinnen. Beim Zeichnen, Malen und Basteln fühlten wir uns wohl wie der sprichwörtliche Fisch im Wasser. Im Laufe der Schulzeit rückte das Kreative immer mehr in den Hintergrund. Mathematik, Deutsch, Fremdsprachen etc. drängten die Kreativität zurück. Wir machten die Erfahrung, dass es nur «ein» richtig, nur «eine» Lösung für Probleme gibt. 1 + 1 ergibt 2 und wer nähmlich so schreibt ist dämlich. Und diese «Gesetze» machten auch vor unserer Kreativität nicht halt: im Kunstunterricht lernten wir, wie ein Impressionist zu malen, wie Da Vinci zu zeichnen und Kunst nach Vorgaben und Regeln zu produzieren. Originalität war nicht oder bestenfalls wenig gefragt, vielmehr ging es um die Einhaltung des gesteckten Rahmens und die vorschriftsmässige Ausführung der Aufgabe. Wir lernten, dass es einfacher ist, sich an die Regeln zu halten, als sie brechen zu wollen. Und wir lernten noch etwas: nähmlich, uns zu vergleichen. Sich mit anderen zu vergleichen ist das Schlimmste, was wir tun können, wenn es um Kreativität geht. In der Kunst gibt es kein richtig oder falsch, kein schön oder nicht schön. Denn Kunst berührt jeden Menschen anders. Was dem einen gefällt, die eine anspricht, ist für die andere hässlich und den anderen berührt es nicht im Geringsten. Kreativität ist nicht Wissen oder Intelligenz. Bei Wissen handelt es sich um eine Ansammlung von bereits Bekanntem, und Intelligenz hilft Zusammenhänge zu verstehen, die bereits vorgedacht wurden. Kreativität hingegen ist die Fähigkeit, etwas gänzlich Neues und Einzigartiges zu schaffen. Es geht darum, etwas nie Dagewesenes in die Welt zu bringen. Einzig nicht künstlerisch tätig zu sein, ist keine Kunst. Tipp Nummer eins: hören Sie auf, zu vergleichen! Jedes erstellte Kunstwerk, sei es gezeichnet, gehämmert oder getöpfert, durch einen professionellen oder einen Hobby‑Künstler erschaffen IST KUNST! Tipp Nummer zwei: hören Sie auf aufzuhören und fangen Sie an anzufangen! Setzen Sie sich hin und zeichnen Sie. Lösen Sie sich von der Vorstellung, dass ein Kunstwerk genau so oder genau anders sein sollte, verbannen Sie das vorgefasste Bild, wie das Ergebnis aussehen sollte, aus Ihrem Kopf. Tipp Nummer drei: Bewerten Sie Ihr Werk nicht, sondern würdigen Sie die Tatsache, dass Sie etwas erschaffen haben. Punkt, Punkt, Komma, Strich: fertig ist das Mondgesicht! Und das Gesicht wird sich verändern, je mehr Sie zeichnen, je öfter Sie es malen, je häufiger Sie es kritzeln. Und jedes einzelne dieser Werke IST KUNST! |
AutorSonja Richei ArchivKategorien |